Heathen Chemistry, das fünfte Studioalbum von Oasis (das sechste, wenn man The Masterplan mitzählt), klingt wie ein Album ohne jede Vergangenheit und Zukunft: es ist leicht, unbekümmert und glückselig ohne jedes Bewusstsein für irgendetwas außerhalb seiner (bemerkenswert kurzen) eigenen Laufzeit. Die legendäre Begabung von Gallagher für das Songschreiben scheint seit dem Ende der 90er-Jahre durch eine Geschwindigkeitskontrolle gesteuert zu werden und ist jetzt mehr auf Qualität als auf Quantität fixiert. Hier sind zwar einige Klassiker von Oasis zu finden (das einfache, aber wirkungsvolle "Stop Crying Your Heart Out"), aber der einzige Song, der bei ihrem Debüt (1994) nicht fehl am Platz klingen würde, ist das verspielte Rockstück "Hung In A Bad Place", das aber ironischerweise von dem Neuling Archer verfasst wurde. Was uns vor ein Problem stellt: Was genau macht aus einem Song einen Oasis-Song? Von Noel geschrieben? Von Liam gesungen?
Zum Glück präsentiert Heathen Chemistry auch einige längst überfällige Stücke von Noel Gallagher, wie zum Beispiel der eher nachdenkliche, akustisch begleitete Song "Little By Little". "Songbird" ist ein faszinierend gutes akustisches Popmusikstück, voll von den typischen Stellen zum Mitklatschen. Zusammen mit dem Voodoo-Geist von Jimi Hendrix, der den Song "Better Man" durchzieht, zeigt dies, dass sich sein Songschreiben seit seinem letzten Werk deutlich verbessert hat. Aber er muss immer noch viel lernen. Bei der Produktion erreicht Noel Gallagher allerdings hervorragende Leistungen. Zum ersten Mal klingt ein Oasis-Album klar und lebendig in der Präsentation des Klangs, eine technische Leistung, durch die das Album erheblich gewinnt.
Heathen Chemistry wirkt selbstbewusst, ist aber ohne jede Arroganz, wirkt gefühlvoll, ist aber frei von Unaufrichtigkeit, es wird gleichermaßen Freude bereiten und abstoßend wirken. Es ist eine heldenhafte Rückkehr zu alter Form -- außen hart wie Stahl, innen sanft und romantisch -- so wie man sich Helden wünscht.